Unser Selbstverständnis
Das Selbstverständnis gibt einen Einblick in die Motivation und Ziele von Pa*radieschen.
Vorbemerkung: Das Selbstverständnis ist immer eine Momentaufnahme. Wir sind uns bewusst, dass die folgenden Vereinbarungen nicht vollständig sind und vermutlich niemals sein werden. Unser Selbstverständnis kann, darf und wird sich noch verändern.
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Selbstverwaltetes, solidarisches und nachhaltiges Wohnen in Augsburg
Wir sind eine Gruppe von Menschen, die ein politisches Gemeinschaftswohnprojekt in Augsburg realisieren. Mit
unserem Projekt schaffen wir einen Ort für ein selbstverwaltetes und solidarisches Zusammenleben und setzen
uns für eine lebenswerte, offene und möglichst diskriminierungsarme Nachbarschaft ein. Darüber hinaus wollen
wir auf Missstände in der Miet- und Wohnpolitik aufmerksam machen und uns auch über unsere Grundstücksgrenzen
hinweg für langfristig bezahlbares und selbstbestimmtes Wohnen einsetzen.

Wohnen in Gemeinschaft
Pa*radieschen, das ist für uns ein Ort, an dem Menschen gemeinsam wohnen, sich gegenseitig unterstützen und
solidarisch zusammenleben. Pa*radieschen ist ebenso eine Gemeinschaft, die Sorge trägt, anfallende Aufgaben
miteinander erledigt, aber auch Zeit, Interessen und Ansichten teilt. Wir wollen mehr als nur Mitbewohner*innen
sein! Wir wünschen uns Nähe, Freund*innenschaften und viele schöne Gruppen- und Gemeinschaftsaktivitäten.
Im Zusammenleben wollen wir neue Formen der Gemeinschaft ausprobieren und damit eine Transformation im Kleinen
anstoßen. Wir sehen uns als „Sozialexperiment“. Gemeinsam können wir alte Handlungsmuster verlernen, zukunftsfähige
Formen des Zusammenlebens und Solidarität in der Praxis erlernen und somit als reale Utopie zeigen: Es geht auch
anders!
Unser Haus soll dabei ein Rückzugs- und Kraftort sein, ein Zuhause, das wir uns selbst gestalten, erhalten und
verwalten.
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Pa*radieschen ist politisch!
Das Projekt ist aus einer kritischen Sicht auf die sich entwickelnde politische und wirtschaftliche Lage bezüglich
des Wohnungsmarktes in urbanen Räumen entstanden. Während politische Lösungen für eine Stabilisierung der Preise
im städtischen Immobilienmarkt viel zu langsam einen wirksamen Rahmen annehmen, erwirtschaften Unternehmen im
Immobiliensektor immer höhere Gewinne zu Lasten der Bürger*innen. Wir fühlen uns von der Politik im Stich gelassen!
Wir wollen unser Geld nicht für überteuerte Mietpreise ausgeben und damit den Reichtum einiger Weniger maximieren,
während wir selbst unsere Lebensqualität reduzieren. Unsere Zukunft und die Zukunft aller folgenden Mieter*innen soll
sich nicht durch Spekulationen im Immobilienmarkt entscheiden; ein unbegrenzt finanzierbarer Wohnraum ohne
Profitinteresse darf keine Utopie bleiben!
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Pa*radieschen ist deshalb mehr als „Schöner Wohnen“ für einige wenige. Wir sehen uns als explizit politisches Projekt. Wir wollen nicht nur Wohnraum schaffen, sondern auch nachhaltig nach außen in unsere Umgebung wirken, öffentliche Aufmerksamkeit erregen und Veränderungen anstoßen. Wir setzen uns ein für langfristig bezahlbaren Wohnraum, faire Mieten und selbstbestimmtes Wohnen – ob im Rahmen des Mietshäuser Syndikats oder in anderen Konstellationen. Mit unserem Projekt wollen wir ein Zeichen gegen die Profitorientierung des kapitalistischen Wohnungsmarktes setzen und eine reale Alternative dazu aufbauen. Außerdem sehen wir uns als soziales Projekt, das (Frei-)Räume für Begegnung, Unterstützung und Vernetzung ermöglicht. Unsere politische Arbeit umfasst dabei drei Ebenen:
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Nachbarschaft
Die Nachbarschaft ist für uns eine zentrale Ebene für Zusammenhalt und Solidarität. Mit Räumen, Veranstaltungen und Netzwerken wollen wir zu einer lebenswerten Nachbarschaft in unserem Viertel beitragen. Dazu gehören:
- (halb-)öffentliche Begegnungs- und Bildungsräume für verschiedene Menschen und Gruppen, die niedrigschwellig und ohne Konsumzwang genutzt werden können
- Raum für Unterstützung, Selbstermächtigung und Empowerment
- Vernetzung mit lokalen Verbänden, Bündnissen, Initiativen und Einzelpersonen
- Mitgestaltung des Viertels hin zu einer lebenswerten und nachhaltigen Stadt
Wir haben Lust auf Kunst- und Kulturveranstaltungen, Konzerte, Filmvorführungen und Kreativworkshops, tauschlogikfreie
Angebote wie Verschenkekisten, Pflanzenbörse oder Fairteiler für gerettete Lebensmittel, auf eine offene Werkstatt
oder Bikekitchen, Floh- und Wintermärkte und vieles mehr. Wir möchten an derartigen Angeboten mitwirken, Räume dafür
zur Verfügung stellen und selbst veranstalten.
Inwiefern ist das politisch? Anstatt nur die bestehenden Verhältnisse zu kritisieren, bauen wir Alternativen zu
kapitalistischen Produktionslogiken und Märkten auf. Damit fördern wir gleichzeitig den solidarischen Austausch
und die Vernetzung vor Ort.

Stadtebene
Neben der Arbeit an unserem eigenen Wohnprojekt möchten wir auch auf Stadtebene Einfluss nehmen und uns für eine
gerechtere Wohn- und Mietpolitik einsetzen. Durch Gespräch mit Entscheidungsträger*innen (z.B. Politiker*innen,
Referaten und Förderstellen) wollen wir einen Nährboden für nachhaltige Projekte schaffen und die Rahmenbedingungen
für zukünftige Wohnprojekte verbessern.
Wir arbeiten in verschiedenen Bündnissen und Initiativen mit, solidarisieren uns mit anderen Gruppen und unterstützen
uns gegenseitig. Langfristig wollen wir auch unsere Räumlichkeiten und ggf. Materialien zur Verfügung stellen,
Bildungsangebote veranstalten und einen Freiraum für diejenigen zur Verfügung stellen, denen zunehmend die (öffentlichen)
Räume genommen werden. Dabei sind wir auch offen für die Vernetzung mit neuen Gruppen, um unsere Ideen zu verbreiten und
neue Unterstützer*innen zu gewinnen.
Als Mitglied des Mietshäuser Syndikats wollen wir die Idee des Syndikats auch in Augsburg (und darüber hinaus) verbreiten.
Dafür tauschen wir uns mit anderen Projekten aus, schließen uns für Aktionen und Infostände zusammen und dienen als Anlaufstelle für neue Projekte.
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Das Mietshäuser Syndikat (deutschlandweit)
Wir wollen ein aktives Mitglied im Verbund des Mietshäuser Syndikats (MHS) sein und die Idee in Augsburg, Bayern und darüber hinaus verbreiten.
Dafür nehmen wir als Projekt regelmäßig an Veranstaltungen und Versammlungen teil und organisieren diese auch selbst vor Ort. Sowohl gegenüber
der Augsburger Stadtpolitik als auch der Stadtgesellschaft vertreten wir das MHS nach außen, setzen uns für die Anerkennung, Unterstützung und
Förderung des Konzepts ein und möchten seine Bekanntheit erweitern.
Unser Ziel ist es, neue Hausprojekte anzustoßen und zu unterstützen. Im Rahmen unsere Möglichkeiten wollen wir deshalb über das Konzept informieren
(z.B. über die Website und Veranstaltungen), interessierte Gruppen und Einzelpersonen beraten und vernetzen (z.B. mithilfe einer „Projektbörse“)
sowie mit anderen lokalen und überregionalen Hausprojekten zusammenarbeiten. Auch wenn unser Fokus auf dem Mietshäuser Syndikat liegt,
unterstützen wir auch andere Formen gemeinschaftlichen Wohnens wie klassische WGs, Genossenschaften oder Hofprojekte.

Gemeinsame Wertebasis
Pa*radieschen soll ein Ort sein, der offen für verschiedene Lebensweisen, Alter, Gender, sexuelle Orientierungen,
Sprachen oder Herkunftsorte ist. Wir legen hohen Wert auf Solidarität, Wertschätzung, Zusammenhalt, friedvolles
Miteinander von Mensch, Tier und Natur, Freiraum und Selbstbestimmung.
Wir sehen Dialog und Begegnung von unterschiedlichsten Menschen als wichtige Grundlage für mehr Zusammenhalt, Offenheit
und Toleranz in der Gesellschaft. Dieser Austausch funktioniert aber nur, wenn wir uns gegenseitig respektieren und
uns bestehender Machtverhältnisse bewusst werden. Wir kritisieren deshalb jede Art von Diskriminierung und möchten
einen achtsamen und bewussten Umgang mit den eigenen Privilegien fördern.
Wir sind ein selbstverwaltetes Projekt. Damit setzen wir uns ein für Selbstbestimmtheit, Selbstverwirklichung,
Unabhängigkeit und Empowerment „von unten“ und gegen jede Form von Autorität. Unsere Entscheidungen treffen wir im Konsent,
unsere Strukturen sind basisdemokratisch. Wir achten darauf, dass es keine Wissensmonopole bei Einzelnen gibt und keine
Machtstrukturen aufgebaut werden.
Wir kritisieren das kapitalistische Konzept des Privateigentums und möchten dazu beitragen, Eigentum anders – nämlich
kollektiv – zu denken. Auch weitere kapitalistische Logiken wie Tauschhandel, bedingungsloses Wachstum und Ausbeutung
möchten wir hinterfragen und, wo möglich, zu überwinden versuchen.

Unsere Vision ist groß! Doch auch wir sind nicht frei von äußeren Zwängen und haben nur einen eingeschränkten Handlungsspielraum. Mit diesem Selbstverständnis wollen wir uns aber immer wieder das Ziel am Horizont bewusst machen, um unsere nächsten Schritte – so klein sie auch sein mögen – auf das Ziel ausrichten zu können.